Dienstag, 23. Februar 2010

18. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium vom 9.3. - 11.3.2009 in Münster

18. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium vom 9.3. - 11.3.2009 in Münster

Plenarvorträge


Das 18. Rehabilitationswissenschaftliche Kolloquium wurde von Dr. Axel Reimann, Direktor der Deutschen Rentenversicherung Bund, eröffnet. Bezogen auf das Rahmenthema hob Dr. Reimann zwei Trends hervor: einerseits das wachsende Informationsbedürfnis der Rehabilitanden und andererseits die Vernetzung des Rehabilitationsprozesses über Informationstechnologien. Viele Patientinnen und Patienten informierten sich inzwischen im Internet über medizinische Sachverhalte. Für Ärzte und Therapeuten stellten sich dabei neue kommunikative Herausforderungen. Die Rehabilitationseinrichtungen könnten über tele-rehabilitative Angebote, wie zum Beispiel telefonische Nachbetreuung und internetbasierte Chatgruppen, das Nachsorgespektrum erweitern. Letztlich gehe es um eine verbesserte Nachhaltigkeit der Rehabilitationsleistungen.

Prof. Schwartz, Direktor des Instituts für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung der Medizinischen Hochschule Hannover, stellte in seinen Überlegungen zur Zukunft unseres Gesundheitswesens und den Perspektiven der Rehabilitation aktuelle Megatrends dar. Dabei nannte er zunächst die Ökonomisierung der Gesundheitsversorgung, die unter anderem zu einer zunehmenden betriebswirtschaftlichen und damit effizienzorientierten Steuerung der ärztlichen und pflegerischen Prozesse führe. Es gehe aber auch um das verstärkte Vordringen privaten Kapitals gegenüber der Finanzierung aus öffentlichen Mitteln. Die Entwicklung neuer Technologien und Behandlungsverfahren wird nach Prof. Schwartz zu einer weiteren Kostenausweitung führen. Daneben sieht er einen Trend zur Verwissenschaftlichung der Medizin, die sich unter anderem in einer Akademisierung der Ausbildung für medizinische Tätigkeiten, wie Krankenpflege und Physiotherapie ausdrücke. Analog zu anderen Bereichen erwartet Prof. Schwartz, dass die Konsumenten als Informationsadressaten und Entscheider vermehrt in den Mittelpunkt rücken und damit die Position der Patienten gestärkt werde.

Für die Rehabilitation sieht Prof. Schwartz einen weiter steigenden Bedarf, der sich - neben dem demografischen Wandel - einerseits aus indikationsspezifischen Entwicklungen (unter anderem Zunahme psychischer Erkrankungen) und andererseits aus der Erhöhung des Renteneintrittsalters begründe. Eine höhere Effizienz der Rehabilitationsleistungen sei über eine weitere zielgruppenspezifische Ausgestaltung zu erreichen, bei der die Balance zwischen notwendiger Individualisierung und wissenschaftlich gut begründeter Standardisierung eingehalten werden müsse.

Vor dem Hintergrund der anstehenden Bundestagswahl plädierte Prof. Schwartz dafür, nicht allein ökonomische Fragen und die Finanzierbarkeit zu betrachten, sondern die Gesundheitsversorgung als Investition in eine kreative und leistungsbereite Bevölkerung zu sehen, die einen gleichwertigen Stellenwert besitze, wie Bildung oder Verkehrsinfrastruktur. In diese Perspektive ordnete der Plenarreferent auch die Rehabilitation ein.

Im Rahmen seines Plenarvortrages zeigte Prof. Greitemann, Ärztlicher Direktor der Klinik Münsterland in Bad Rothenfelde, wesentliche zukünftige Entwicklungsfelder aus Sicht eines Rehabilitationsklinikers auf. Die Rehabilitationsmedizin befinde sich in einem stetigen Wandel. Anpassungen an sich in den letzten Jahren ständig verändernde Rahmenbedingungen, gesetzliche Vorgaben, Anforderungen aus Qualitätssicherungsprogrammen und Benchmarking-Prozessen, Reaktionen auf Veränderungen in der Akutmedizin und Forderungen nach verstärkter Nachsorge bedingten eine hohe Flexibilität der Rehabilitationseinrichtungen.

Durch die Einführung der DRG-Fallpauschalen in den Krankenhäusern und den damit verbundenen kürzeren Verweildauern, kämen Patienten früher und in reduziertem Allgemeinzustand in die Reha. Dies führe zu zusätzlichen Belastungen sowohl für die Patienten als auch für die Reha-Einichtungen, die ihre Konzepte entsprechend anpassen müssten. Als insgesamt sinnvollen konzeptuellen Ansatz bewertete Prof. Greitemann die Reha-Leitlinien der Deutschen Rentenversicherung. Für die Reha-Einrichtungen gehe es darum, diese Reha-Therapiestandards praktisch umzusetzen. Dabei sei vor allem wichtig, den Rehabilitanden über die Behandlungsansätze zu informieren und beispielsweise durch die gemeinsame Benennung von realistischen Zielen in den Reha-Prozess einzubinden. Partizipative Reha-Zielsetzungen seien, so Prof. Greitemann, ein wichtiger Baustein um die Arzt-Patient-Interaktion zu verbessern und somit auch den Erfolg der Rehabilitation zu erhöhen. Generell solle der Arzt-Patient-Beziehung mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, da die Zufriedenheit der Rehabilitanden aber auch der Ärzte von einer gelungenen Interaktion abhänge.

Erfolgsversprechende Ansätze seien auch in einer verstärkt beruflich ausgerichteten bzw. berufsbegleitenden Rehabilitation zu sehen. Die Einführung von Fallgruppen könne vor allem zu einer bedarfsorientierten Rehabilitation und zur verbesserten Steuerung der Ressourcen beitragen. Fallgruppen dürften aber nicht zu einem erhöhten Verwaltungs- beziehungsweise Dokumentationsaufwand führen und sollten nicht als Instrument zur Kosteneinsparung verstanden werden. Generell gehe es darum, resümierte Prof. Greitemann, durch frühzeitiges Erkennen von Trends flexibel auf die wachsenden Anforderungen zu reagieren; letztlich sei dies den Rehabilitationseinrichtungen bisher immer gelungen.

Prof. Carsten Schultz, Juniorprofessor für Management von Dienstleistungsinnovationen und Technologietransfer an der Technischen Universität Berlin, unterstrich ebenfalls, dass stationäre Einrichtungen vor großen Herausforderungen stehen, die insbesondere aus sinkenden Budgets bei gleichzeitig steigenden Qualitätsansprüchen und damit einhergehend verstärktem Wettbewerb resultierten. Diesen Anforderungen begegneten beispielsweise Krankenhäuser mit neuen Versorgungsangeboten und optimierten Prozessen. Die notwendigen Veränderungen seien oft komplex und bedürften der Mitwirkung verschiedener Berufsgruppen und externer Partner. Die Umsetzung derartiger Veränderungen sei daher eine der zentralen aktuellen Herausforderungen des Managements.

Im Rahmen seines Beitrages ging Prof. Schultz anhand einer aktuellen Studie, deren Ergebnisse erstmalig auf dem Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium präsentiert wurden, der Frage nach, wie Krankenhäuser ihre Innovationsfähigkeit aktiv beeinflussen können. Die Ergebnisse zeigten insbesondere die Zusammenarbeitsprobleme zwischen den Berufsgruppen auf, aber auch die hohe Varianz zwischen den jeweiligen Innovationsportfolios der befragten Häuser. Priorität habe für die Krankenhäuser zurzeit unter anderem die Bildung interdisziplinärer Fachzentren, die Erweiterung des Einzugsgebietes, die Verbesserung der Hotelleistungen sowie die Einrichtung einer interdisziplinären Notaufnahme und fachübergreifender Diagnostik.

Neben einer Reihe weiterer Befunde unterstrichen die Ergebnisse, so Prof. Schultz, die Bedeutung der Qualität der Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Berufsgruppen (kaufmännisch, ärztlich und pflegerisch). Ferner existiere eine positive Wirkung von Klarheit der Strategie sowie ausgeprägter Projektmanagement-Kompetenz auf die Veränderungsfähigkeit von stationären Einrichtungen. An den Ergebnissen könnten und sollten sich die verantwortlichen Mitarbeiter in den stationären Einrichtungen orientieren und geeignete organisatorische Rahmenbedingungen zur Steigerung der Veränderungs- und Innovationsfähigkeit schaffen. Eines sei sicher, betonte Prof. Schultz in seinem Fazit: Veränderungsdruck und -potentiale nähmen weiterhin zu und langfristig wirtschaftlich sowie medizinisch erfolgreich seien Einrichtungen, die die notwendigen Veränderungsprozesse erfolgreich bewältigen. Deshalb lohne es sich, die Innovationsfähigkeit von stationären Einrichtungen gezielt zu verbessern.

Die Reha-Forschung als Innovationsmotor beleuchtete Dr. Buschmann-Steinhage, Leiter des Bereichs Reha-Wissenschaften der Deutschen Rentenversicherung Bund. In seinem Plenarvortrag beschäftigte er sich zunächst mit dem Förderschwerpunkt "Chronische Krankheiten und Patientenorientierung". Mit diesem Förderprogramm sei erstmalig eine gemeinsame Forschungsinitiative der Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF), für Gesundheit (BMG) sowie für Arbeit und Soziales (BMAS) und der Deutschen Rentenversicherung, der Spitzenverbände der Krankenkassen und des Verbands der privaten Krankenversicherung gelungen. Der Förderschwerpunkt sei ein Beispiel für Forschung, die zur Innovation in der Rehabilitation, aber auch im Gesundheitswesen beitragen soll und auf eine Optimierung der Versorgungsgestaltung, unter anderem durch innovative Interventionen zur Stärkung der Patientenorientierung, ziele.

In der ersten Förderphase würden 41 Projekte durchgeführt. Für sie stünden zwischen 2008 und 2011 insgesamt 10,8 Mio. Euro zur Verfügung. Drei Themenfelder der Patientenorientierung würden angesprochen: Gezielte Patienteninformationen, effiziente Schulungsprogramme für chronisch kranke Menschen sowie die partizipative Gestaltung der Versorgung. Hierzu würden Konzepte entwickelt und deren Wirksamkeit evaluiert. Von besonderem Interesse seien die Auswirkungen der untersuchten Interventionen auf den Krankheitsverlauf sowie auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und am Arbeitsleben.

Mehrere Projekte versuchten durch neue Wege die Nachhaltigkeit der medizinischen Rehabilitation und ihrer Ergebnisse zu steigern. In der Reha-Nachsorge könnten die Betroffenen über Kontakte mit ihren Therapeutinnen und Therapeuten via E-Mail oder Telefon "bei der Stange gehalten" und bei Problemen unterstützt werden. Eine andere Möglichkeit biete das Internet: Statt zu einer - oft nicht oder nur schwer erreichbaren - Nachsorgegruppe zu fahren, hielten Patientinnen und Patienten, die sich aus der Reha-Klinik kennen, Kontakt zu ihren Behandlern, indem sie sich einmal im Monat ähnlich einer Telefonkonferenz online in der Gruppe austauschten. Auf dem PC-Bildschirm könnten sie dabei ihre Therapeuten "live" sehen und die Diskussion könne mit Bildern und Diagrammen unterstützt werden.

Nach Abschluss der laufenden Forschungsprojekte gehe es darum, die gewonnenen Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen. Ein effizientes und qualitativ hochwertiges Gesundheitssystem brauche die möglichst schnelle Transformation von einschlägigen Forschungsergebnissen in echte Innovationen. Andererseits bräuchten Forschungsergebnisse und darauf basierende Leitlinien oft Zeit, bis sie als Innovationen umgesetzt bzw. befolgt würden. Dr. Buschmann-Steinhage betonte, dass ohne Veränderungsbereitschaft und ohne kompetente Unterstützung innovative Ansätze nur selten erfolgreich seien.

Posted via web from Blog "Gesundheitswirtschaft"

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